Ich spiele nicht, um mir zu gefallen
Andere wollen Stars werden. Die Australierin Toni Collette mag lieber die kleinen Rollen. Wir haben oft gesehen, wie sie anderen die Show gestohlen hat, aber im Grunde wissen wir gar nichts über sie. Das ändert sich jetzt.
Ein bisschen seltsam ist sie schon. Und das liegt nicht am silbem gepiereten Bauchnabel oder an dem keltischen Meerjungfrauen-Tattoo ganz oben auf der Pobacke. Nicht daran, dass sie Fischernetze zu Doc-Martin-Stiefeln trägt. Oder davon träumt, während einerGanzkorpermassage von wunderschanen Männern im Lendenschurz mit Weintrauben gefüttert zu werden. Da hat Hollywood wirklich noch anderes zu bitten. Sie lässt sich nur “zum 25. Geburtstag kahl scheren,” weil sie diesen „Meilenstein” des Lebens irgendwie such physisch zum Ausdruck bringen will. Oder färbt sich strohblond, um geänderte heraufziehende Änderungen zu manifesticren. Nein, Toni Collette in keine Frau wie du und ich. Sic ist schon was Besonderes. Und vielleicht deshalb Hollywoods beste Nebendarstellerin. Sie bot Gwyneth Paltrow in der Jane-Aussen-Verfilmung „Emma” Paroli, ließ Ewan McGregor im schrillen Glamrock-Stück „Velvet Goldmine” ziemlich blass aussehen. Sie war die stille Mutter des kleinen verstörten Jungen in „The Sixth Sense” (Oscar-Nominierung!) und die suizidgefahrdete Alleinerzieherin von Hugh Grants jungem Freund in „About a Boy – Der Tag der toten Ente”. Ihren Namen kennen nicht viele, aber ihre Rollen bleiben haften. Denn in Toni Collenes spitzmäusigem Gesicht mit den großen blauen Augen, umrahmt von spillerigen, meist blonden Fusselhaaren, spiegelt sich völlig unangestrengt all das, wofür andere mindestens drei Jahre „Method Acting« studieren müssen: Wut, Angst, Hilflosigkeit, Trotz, Trauer. Emotionen, die niemanden kalt lassen, weil sie nie gespielt wirken.
Bekannt wurde Toni Collette 1994 mit „Muriels Hochzeit«. Als heiratssüchtige, übergewichtige Muriel Heslop rührte sie die Zuschauer in aller Welt. Ein hässliches Entlein, eine Nervensäge, immer zur falschen Zeit am falschen Ort. Und immer mit Abba-Songs gegen die Seelenkrisen. 15 Minuten Standing Ovation spendete ihr dafür die verwöhnte Cineasten-Gemeinde beim Filmfestival in Cannes. Für diese Rolle fraßsich diedamals 22-jährige Toni Collette in sieben Wochen 44 Pfund an. Sechs Mahlzeiten am Tag plus gewichtsfördernde Pillen. In den Interviews aus dieser Zeit behauptete sie steif und fest, dass sie sich in ihrer Üppigkeit ganz prima fand, abgesehen von den zusammenklebenden Oberschenkeln. Erst später, als sie längst wider Elfenformat erreicht hatte, sprach sie von Bulimie, von Panikattacken. Davon, dass sie mir dem Ruhm nicht klar kam, am liebsten vor aller Welt geflohen wäre. Die Tochter eines Lastwagenfahrers und einer Kundendienstberaterin, älteste von vier Geschwistern, war im fernen Australien einfach nicht vorbereitet auf das Leben eines Stars, auf gierige Presse, aufdringliche Fans, den Verzicht auf Privatsphäre. Und irgendwann in dieser Zeit muss sie beschlossen haben: Hauptrollen sind nichts für mich! Macht überhaupt nichts. Hauptrollen spielen kann jede halbwegs begabte Schauspielerin mir guten Beziehungen. Aber noch mit den kleinsten Rollen jedem Film einen ganz persönlichen Stempel aufzudrücken, das ist die Kunst der Toni Collette. So wie jetzt in „Spurwechsel”, einem spannenden Thriller (Filmstart 2.11.). Als Anwaltskollegin und Ex-Geliebte von Ben Affleck verkörpert die knapp 30-Jährige das gute Gewissen des korrupten Gavin Banek, der einen todkranken Multimillionär dazu überredet hat, die Kontrolle über einen millionenschweren Wohltätigkeitsfond seiner Kanzlei zu übertragen. Die Akte mit der alles entscheidenden Unterschrift verliert Banek allerdings bei einem Verkehrsunfall. Die gerät in die Hände des Unfallgegners, dessen Leben durch die eigentlich läppische Karambolage aus den Fugen gerät. Denn Banek entwickelt eine tödliche kriminelle Energie, um wieder an die Akte zu gelangen. Die Einzige, die davon weiß, ist Michelle – Toni Collette. BRIGITTE traf sie zur Filmpremiere in Los Angeles.
BRIGITTE: In Ihrem neuen Film verkörpern Sie so etwas wie eine moralische Instanz. Würden Sie privat in ähnlicher Situation jemanden verraten, von dem Sie wissen, dass er ein Verbrechen – egal wie schwer – begangen hat?
TONI COLLETTE: Ich bin ziemlich ehrlich. Wenn ich so etwas mitbekommen würde, würde ich es vermutlich stoppen wollen. Nicht wegen meines eigenen Seelenheils, sondern wegen der ganzen Moral dahinrer. Wir teilen uns diesen Planeten, lasst uns also versuchen, harmonisch miteinander zu leben. Nicht nur mit jedem Einzelnen, sondern mir allem, was sich auf diesem Planeten befindet. Tiere, Pflanzen, alles. Das biblische Ideal also.
Sind Sie in einer gläubigen Familie aufgewachsen?
Nein, eigentlich nicht, wenn man mal von der Presbyterianer-Phase meines Vaters absieht. Religiös würde ich mich auch heute nicht nennen. Buddhismus interessiert mich. Aber auch nicht im strengeren Sinne.
Ihnen wird ein Hang zum übersinnlichen nachgesagt Glauben Sie an Geister oder Ähnliches?
Als Kind fürchtete ich mich im Dunkeln. Aber daran war vermutlich mein Cousin schuld, weil der sich unter meinem Bett zu verstecken pflegte und nachts nach meinem Fuß griff, sehr gruselig. Etwas anderes ist das mit meiner Großmutter. Die lebte in einem Anbau hinter unserem Haus. Noch lange, nachdem sie tot war, fühlte ich eine starke Energie in ihren Räumen. Das war etwas, das man fühlen, aber nicht sehen konnte. Mein Vater allerdings behauptet, er hätte sie gesehen.
Und wie ist es heute? Spüren Sie Ihre Großmutter noch?
Ja, ganz klar. In New York bin ich mal an einen Taxifahrer geraten, der mich quasi entführte. Statt mich an die gewünschte Adresse zu bringen, fuhr er in eine dunkle kleine Straße. Es lag etwas Gefährliches in der Luft. Und plötzlich wie aus dem Nichts rammte uns ein anderes Auto. Und wie durch ein Wunder stand da auch noch ein freies Taxi. Ich also raus in dieses Taxi und nichts wie nach Hause. Meine Psychiaterin, der ich nichts davon erzählt hatte, sagte mir ein paar Tage später, dass sie die Anwesenheit meiner Großmutter um mich spüre. Und dann servierte diese Frau, die Psychiaterin, mir Familiengeheimnisse der Collettes, von denen sie auf natürlichem Wege überhaupt nichts wissen konnte.
Gibt es außer Großmutters Geist noch andere übernatürliche Dinge, die Ihnen etwas bedeuten?
Nicht wirklich, aber ich trage ein paar Glücksbringer mit mir herum, die mir Weisheit geben, mich klarer sehen lassen. Kristalle zum Beispiel oder Ziegenhaar. Das stammt übrigens aus Irland, wo ich ein kleines Cottage besitze. Das Ziegenhaar hing dort an einem uralten Baum.
Haben Sie eine Lebensphilosophie?
Klar: Erwarte nichts, niemals, und du wirst nie enttäuscht werden.
In „About a Boy” spielt Hugh Grant einen notorischen Verführer, in „Spurwechsel” betrügt Ben Allleck seine Frau. Sind Ihnen solche Gefühlskrüppel im wirklichen Leben schon mal untergekommen?
Verlockende Frage. Eigentlich darf ich sie gar nicht beantworten. Weil ich immer versuche, die Menschen als Individuen zu sehen, und es hasse, zu generalisieren. Aber ich muss zugeben: Es gibt sie. Es gibt diesen großen Haufen Männer, die nur an eine Sache denken können. Zwei sind schon zu viel. Frauen dagegen sind in der Lage, viele Gedanken gleichzeitig und gleichwertig zu denken. Ich persönlich kenne ein paar erstaunliche Männer, die in einer Art riesigen Blase leben, unfähig, sich zu öffnen. Vielleicht fürchten sie, sich dabei selbst zu entdecken.
Was sind Ihre eigenen Erfahrungen mit Männern? Welche finden Sie anziehend?
Na ja, ich bin immer noch Single. Ich glaube daran, dass nichts ohne Grund geschieht. Auch wenn es sich im Moment ziemlich ungemütlich anfühlt – wenn man später mal zurückblickt, hat’s doch seinen Sinn gehabt. Irgendwie unter der Oberfläche sucht doch jeder nach jemandem. Und wenn da keiner ist, dann ist man vielleicht auch noch nicht bereit dafür. Manchmal sucht man sich auch die falschen Männer, um genau diese Lektion zu lernen. Wenn die Zeit also reif ist, dann passieres. Gott sei Dank. Meine Vorstellung eines Partners: jemand, mit dem ich reden kann, der nichts vortäuscht, jemand, der wirklich ist, zugänglich, jemand, an dem man nicht „arbeiten” muss, jemand, bei dem es einfach stimmt.
Und was halten Sie vom Heiraten?
Ich glaube eigentlich nicht dass menschliche Wesen dazu angelegt sind, ein Leben lang glücklich zusammen zu sein. Verstehen Sie mich nicht falsch. Meine Eltern sind immer noch verheiratet, lieben sich noch. Es gibt also kein dunkles Scheidungstrauma in meiner Kindheit. Ich glaube einfach, es ist nicht natürlich, dass zwei Menschen für immer zusammenbleiben. Wenn doch: Viel Glück
Es sieht so aus, als ob Sie sich nicht viel daraus machen, wie Sie auf der Leinwand aussehen. Meinen Sie nicht, dass Sie noch mehr Erfolg hätten, wenn Sie ein bisschen Glamour drauflegten?
Warum sollte ich glamourös sein? Was ist das für ein lächerlicher Mythos! Ich spiele doch nicht, um mir selbst zu gefallen, um irgendein großer Filmstar zu sein, sondern weil ich Geschichten erzählen, mich in jemanden anders verwandeln und dessen eigene Wahrheit kreieren will.
Haben Sie deshalb auch keine Angst davor, sich hauptsächlich auf Nebenrollen zu konzentrieren?
Ich will Ihnen mal was sagen: Hauptrollen sind meistens nicht sehr interessant. Bei wirklich guten Drehbüchern sind die so genannten Nebenrollen oft interessanter, komplexer, herausfordemder. Ganz selten mal hat eine Hauptrolle das, was mir wichtig ist. Da spiele ich lieber Nebenrollen.
Welche Rolle haben Sie in Ihrem nächsten Film „The Hours”? Das klingt nach einem Gipfeltreffen der Schauspielzunft Meryl Streep, Julianne Moore, Nicole Kidman und Sie in einem Film.
Die Geschichte dreht sich um Virginia Woolf und spielt in drei Zeitebenen. Deshalb treten wir leider nie gemeinsam auf. Und meine Rolle ist wirklich nur sehr klein. Aber ich wollte unbedingt mit Stephen Daldry, dem Regisseur, zusammenarbeiten,. nachdem ich seinen Film “Billy Elliot” gesehen habe und mir fast die Augen aus dem Kopf geweint habe. “Das bin ich”, habe ich damals gedacht, “dieser Billy Elliot bin ich!”